
Kinderbücher zwischen Kreativität und KI – Gedanken zu einer Debatte voller Grautöne
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Ein persönlicher Einblick in meinen Gestaltungsprozess und ein Plädoyer für einen differenzierten Umgang mit neuen Technologien
Warum über KI und Kinderbücher sprechen?
In den letzten Monaten hat die Debatte rund um KI-generierte Kinderbücher an Fahrt aufgenommen – und das zurecht. Künstliche Intelligenz ermöglicht mittlerweile, mit wenigen Klicks ganze Bücher zu erstellen: Text, Illustration, Layout. Schnell, günstig und technisch oft beeindruckend. Doch viele fragen sich – wie steht es dabei um Inhalt, Qualität und Verantwortung?
Der SWR etwa berichtete in einem lesenswerten Artikel über die wachsenden Sorgen im Kinderbuchmarkt: Verlage, Autorinnen und Illustratorinnen sorgen sich um Qualität und ethische Grenzen – und darum, wie transparent der Einsatz von KI kommuniziert wird Quelle.
Der Knackpunkt: KI ist nicht per se gut oder schlecht. Sie ist ein Werkzeug – und wie wir es nutzen, entscheidet, ob daraus ein verantwortungsvolles Produkt entsteht.
Mein Statement: Illustration als Seele – mit KI als Werkzeug, nicht Ersatz
Als Dipl.-Designerin (FH) mit Schwerpunkt Grafik bin ich seit vielen Jahren im Bereich Illustration tätig. Mein Kinderbuch „Der Mond, der vom Himmel fiel“ entstand mit viel Herz, Wissen und Gestaltungserfahrung.
Die KI kam dabei nicht als Ersatz, sondern als Impulsgeber und Werkzeug zum Einsatz. Ich habe:
- alle Texte selbst geschrieben, gereimt und korrigiert,
- alle Bildideen eigenständig skizziert, konzipiert und komponiert – also die Szenenaufteilung, Perspektiven, Charaktere und Bildstimmung entwickelt,
- KI-basierte Unterstützung genutzt, um bestimmte Perspektiven, Kompositionen oder Kamerawinkel visuell vorab zu prüfen,
- die Colorierung meiner Illustrationen und Skizzen durch KI anstoßen lassen,
- die generierten Ergebnisse anschließend sorgfältig weiterbearbeitet, digital überarbeitet und gestalterisch feinabgestimmt,
- mehrere Korrekturschleifen im Lektorat durchlaufen,
- diverse Probedrucke bei einer deutschen Druckerei veranlasst,
- bewusst ein langlebiges Hardcover mit hochwertigem Bilderdruckpapier gewählt.
So entstand ein durchdachtes Gesamtwerk – mit künstlerischer Kontrolle, gestalterischer Verantwortung und bewusster Techniknutzung. Die KI war für mich ein visuelles Hilfsmittel – zur Unterstützung, nie zur Entscheidung.
Was viele KI-Kinderbücher unterscheidet
Viele vollständig KI-generierte Kinderbücher, die aktuell den Markt überschwemmen, entstehen ohne gestalterischen Hintergrund oder redaktionelle Kontrolle. Das führt oft zu:
- qualitativ fragwürdigen Texten mit Rechtschreib- oder Sinnfehlern,
- unausgereiften Bildkompositionen oder inkonsistenten Illustrationen,
- billiger Druckqualität und mangelhafter Materialwahl,
- fehlender redaktioneller Begleitung und oft auch fehlender Offenlegung.
Gerade deshalb ist es mir wichtig, offen zu kommunizieren, wie mein Buch entstanden ist. Nicht als Massenprodukt. Sondern als Herzensprojekt.
Was ich mir wünsche – für die Debatte und für unsere Kinder
Ich frage mich manchmal, warum ich überhaupt das Gefühl habe, mich erklären oder gar rechtfertigen zu müssen. Vielleicht liegt es daran, dass ich von Anfang an offen und transparent mit dem Thema umgegangen bin – weil ich keine Geheimnisse machen möchte und weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass neue Werkzeuge nur im offenen Diskurs verantwortungsvoll genutzt werden können.
Und dennoch: Während ich viel ermutigendes Feedback von Leserinnen, Eltern und Kreativen bekommen habe, kamen auch kritische Rückmeldungen – vor allem von Illustratorinnen, die sich durch die bloße Erwähnung von KI getriggert fühlten. Manche dieser Rückmeldungen waren freundlich, sachlich und haben zu wertvollem Austausch geführt. Andere wiederum waren emotional aufgeladen, pauschalisierend oder verletzend.
Was ich daran besonders schade finde, ist, dass offenbar wenig Raum für Grautöne bleibt. Dass meine Arbeit – Monate voller Nachtschichten, Skizzen, Lektoratsrunden, unzähliger Feinkorrekturen und bewusster gestalterischer Entscheidungen – manchmal vollständig übersehen wird, nur weil irgendwo das Wort „KI“ steht.
Ich verstehe die Sorge. Ich verstehe die Angst, dass ein eigener Stil, eine kreative Handschrift oder jahrelange Erfahrung entwertet werden könnten. Aber ich glaube nicht, dass die pauschale Abwertung anderer Wege die Lösung ist. Ich glaube vielmehr, dass es unsere Verantwortung ist, genau hinzusehen. Zu fragen: Wie wurde ein Buch gemacht? Wer steckt dahinter? Welche Gedanken, welches Wissen, welche Intentionen flossen ein?
Es gibt nicht nur schwarz oder weiß in der Debatte um KI. Es gibt viele Schattierungen dazwischen – und genau dort arbeite ich. Bewusst. Transparent. Und mit dem Anspruch, Kindern ein Buch in die Hand zu geben, das mit Liebe gemacht wurde.
Ich wünsche mir sehr, dass wir auch in der Buchwelt wieder mehr voneinander lernen – statt übereinander zu urteilen. Denn kreative Vielfalt entsteht nicht aus Angst, sondern aus Offenheit.
Weiterführender Link: Bedroht KI den Kinderbuchmarkt? – SWR Beitrag
Zum Kinderbuch: „Der Mond, der vom Himmel fiel“ – jetzt entdecken
Zur Kollektion: Produkte rund um das Buch „Der Mond, der vom Himmel fiel“
Presse: Magisches Kinderbuch: KI unterstützt Illustratorin, Lippborgerin schreibt Kinderbuch mit KI-Unterstützung
1 Kommentar
Ein beeindruckender Beitrag, der nicht nur fachlich fundiert ist, sondern auch menschlich berührt.
Dein Umgang mit dem Thema KI im Kinderbuchbereich ist ein Beispiel dafür, wie verantwortungsbewusste Gestaltung heute aussehen kann: mit Herz, mit Handwerk – und mit klarem Bewusstsein für Wirkung und Verantwortung.
Du machst sichtbar, was hinter einem echten Buchprojekt steckt: unzählige durchdachte Entscheidungen, kreative Tiefe und gestalterischer Feinschliff. Besonders beeindruckend finde ich deine Transparenz – du versteckst die KI nicht, sondern integrierst sie reflektiert und erklärst nachvollziehbar, wo sie Werkzeug ist, nicht Ersatz.
In einer Debatte, die oft von Angst und Vorurteilen geprägt ist, bringst du Differenzierung, Klarheit und Dialogbereitschaft ein. Das braucht Mut – und Haltung. Danke für deinen Einblick und deine Stimme für mehr Offenheit, Qualität und gegenseitiges Verständnis in der kreativen Arbeit. Solche Perspektiven sind dringend nötig.